Trump, Brexit und die Medien –Plädoyer für eine Aufklärung 2.0

“US-Wahl und Medien: Eine Niederlage für den Journalismus”, schreibt die Wirtschaftswoche nach dem Sieg von Donald Trump. Die Medien hätten den Draht zu weiten Teilen der Gesellschaft verloren. Es fehle die kritische Distanz zu den Eliten und ein offener Blick auf die Gründe des Volkszorns. Ähnliche Argumente hatte man auch schon nach dem Brexit-Votum und den AfD-Wahlerfolgen gelesen. Diese Analyse aber greift viel zu kurz. Denn die Entfremdung von Medien und Teilen der Bevölkerung ist viel tiefgreifender. Es ist eine Verschiebung der öffentlichen Wahrnehmung unseres demokratischen Systems insgesamt. Was es jetzt braucht, ist nichts weniger als ein neues Zeitalter der Aufklärung – quasi eine Aufklärung 2.0.

 

Journalismus als Machtkontrolle

 

Die Ursachen reichen weit zurück. Journalismus verstand sich – zu Recht – immer auch als Kontrollinstanz. Machtmissbrauch und Fehlentwicklungen wurden aufgezeigt, oft gegen den erbitterten Widerstand der Betroffenen. Ihren Höhepunkt erreichte diese Art des Journalismus mit der Aufdeckung des Watergate-Skandals 1973 in den USA. Die Medien erhielten den Nimbus einer unbestechlichen vierten Gewalt. Gleichzeitig wurde aber auch fast unbemerkt der Mythos geboren vom Politiker als stets intrigierenden korrupten Selbstbediener. Seitdem wurden unzählige echte und scheinbare Affären aufgedeckt, die genau dieses Muster zu bestätigten schienen. Jeder Skandal ein öffentlicher Aufschrei; jede Affäre ein Scoop. Und das in immer schnellerer Taktung, um den zunehmend heiß laufenden Aufmerksamkeitsapparat zu schüren.


 

Mediennutzung in Form von “Frames”

 

Leider nehmen die Menschen die Berichterstattung dabei nicht rational wahr, sondern als Aktivierung von Gedankenmustern (“Frames”). Die Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling beschreibt in ihrem Buch “Politisches Framing“, dass unsere öffentlichen Debatten wie ein synaptischer Superkleber wirken, der Ideen miteinander vernetzt. Und zwar unabhängig davon, ob es faktisch richtig ist oder nicht. Entscheiden ist dabei der Lerneffekt. Immer wieder wiederholte Verknüpfungen schaffen solche Gedankenmuster, die dann beim nächsten Mal nur noch aktiviert werden. Das ist im Laufe der letzten dreißig Jahre auch mit unserem politischen System passiert.

 

Politik = Skandal

 

Das Trommelfeuer von Schlagzeilen, die Politik mit Begriffen wie “Macht”, “Korruption” oder “Skandal” verknüpfen, hat entsprechende Gedankenmuster geformt. Politik wird deshalb von vielen fast schon reflexartig gleichgesetzt mit Machtmissbrauch. Ähnliche Verknüpfungen gibt es in anderen Bereichen, etwa der Europäischen Union und dem Begriff “Bürokratie”. Diese jahrelange Konditionierung hat die Gedankenmuster inzwischen derart verfestigt, dass andere Muster gar nicht mehr zugelassen werden. Der Brüsselkorrespondent einer Tageszeitung hat frustriert erzählt, dass er kaum noch Geschichten über alltägliche Entscheidungen der EU anbieten kann. Stattdessen wird er stetig gefragt, ob er nicht noch eine Story hat, wie die mit den überregulierten Ölkännchen. Alles andere würde kaum gelesen. Diese Spirale hat sich inzwischen in beängstigende Höhen geschraubt, und wird dort auch von Fakten nicht mehr erreicht. Die Medien können die Gedankenmuster, die sie selbst geformt haben, nicht mehr zurückholen.

 

Die Legende der “Lügenpresse”

 

Die Wiedergeburt des Begriffs “Lügenpresse” im Zuge der Flüchtlingskrise nährt sich aus den Versuchen der Medien, Politik zu verteidigen. Und das ist durchaus auch ihre Aufgabe. Trotz seiner Kontrollfunktion ist Journalismus ja keine reine Regierungs-Bashing-Maschine. Journalismus soll Politik erst mal grundsätzlich vermitteln, wenn nötig kritisch kommentieren, aber gegebenenfalls eben auch als sinnvoll und sachgerecht darstellen. Dabei geht es nicht darum, sich mit einer Sache gemein zu machen – nicht mal mit einer guten. Es geht erst mal nur darum, Richtiges von Falschem zu unterscheiden. Widerspricht das allerdings dem inzwischen zementartig verfestigten Denkmuster einiger Bürger, ist ihre fast schon logische Schlussfolgerung: Die Medien lügen. Und da sie zu Gunsten der Politik lügen, gehören sie ganz offenbar zum System.

 

Wege aus dem Loch

 

Wie aber kommen die Medien aus diesem Loch wieder heraus? Zunächst sollten sie das alte Sprichwort befolgen, und aufhören zu graben. Den alten, krummen Gedankenmustern sollten nicht noch neue hinzugefügt werden. Nicht jeder politische Fehler ist ein “Skandal”, nicht jede Abstimmung ein “Machtkampf” und nicht jeder Dissens eine “Krise”. Die Herkulesaufgabe der nächsten Jahre aber wird sein, die alten “Frames” durch neue zu ersetzen. Natürlich müssen ernsthafte Anliegen von Bürgern auch ernst genommen und echter Machtmissbrauch aufgedeckt werden. Wenn wir es aber nicht schaffen, den “gefühlten” Problemen die Nahrung zu entziehen, ungerechtfertigte Gedankenmuster zu zertrümmern und den verfestigten Stereotypen von “denen da oben” glaubwürdige, positive Alternativen entgegenzusetzen, dann werden sinkende Auflagen unser kleinstes Problem sein.