Krautreporter - Abo aus Mitleid

„Nur wenn Sie dabei sind, gibt es eine Chance, den Journalismus im Netz zu verändern. Werden Sie Mitglied!“ So wirbt das Projekt Krautreporter derzeit um Unterstützung. 15.000 Internet-User sollen sich innerhalb eines Monats mit 60 Euro Jahresbeitrag beteiligen, um ein neues Online-Magazin zu realisieren. 25 Reporter, unabhängig von Werbung, täglich vier Reportagen, emotional, relevant, journalistisch, ausführlich, möglichst multimedial und „von tollen Autoren“, wie die Macher selbst versprechen. Denn bisher gibt es noch keine Beiträge, außer einigen früheren Arbeitsproben der beteiligten Journalisten. Soll man da mitmachen? Muss man da als Medienschaffender vielleicht sogar mitmachen? Es geht ja immerhin darum, „den Journalismus im Netz zu verändern“. Oder? Nein.

 

Erst mal geht es nur darum, ein weiteres Online-Medium zu gründen. Artikel, die nur fürs Netz geschrieben werden? Gibt es seit Jahren. Von renommierten Autoren? Klickt mal bei Carta rein. Werbeunabhängig? Praktisch jeder Blogger ist das. „Geschichten hinter den Nachrichten“, wie es im Krautreporter-Werbevideo heißt? Verspricht jede Tageszeitung. Das wirklich Neue an dem Projekt, ist das Geschäftsmodell. Ein rein Abo-finanziertes Online-Magazin wäre in der Tat eine schöne Neuerung im Gratis-Internet. Und dass die Krautreporter versuchen, in Zeiten des Zeitungssterbens für solide Journalistenhandwerker ein einträgliches Einkommen zu erzielen, ist aller Ehren wert.


 

Aber zunächst geht es nicht mal um dieses neue Geschäftsmodell. Denn was die Kollegen da mit viel Netzgetrommel erwirken, ist vorerst nichts anderes als Startkapital. Andernorts geht man mit einem Business-Plan zur Bank. Die Krautreporter crowdsourcen (daher auch der Name) das Risiko ihrer Unternehmensgründung an die Netzgemeinde. Offenbar sind sie sich selbst nicht so sicher, ob ihr Geschäftsmodell trägt. Und selbst wenn die 15.000 Unterstützer innerhalb des selbst gesteckten Ziels zusammenkommen, ist das kein Beweis dafür, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Es ist lediglich der Beweis, dass genügend Menschen im Internet gerne ein so funktionierendes Geschäftsmodell hätten. Denn die Abonnenten unterstützen ja mangels Produkt erst mal nur die Idee.

 

Die Krautreporter wiederum werben ganz unverhohlen damit, dass ihre Unterstützer nicht einfach nur ein neues Online-Magazin bezahlen. Sie locken mit dem Versprechen, Teil einer Qualitätsrevolution im Netz zu sein – oder es zumindest versucht zu haben. Denn wenn es nicht klappt, bleibt das Dunkel. „Der Online-Journalismus ist kaputt“, stellen die Macher schon mal fest. Der Startkapitalzuschuss ist damit mehr als nur der Erwerb eines Jahresabos. Es eine gute Tat. Das allerdings ist das Fatale an der Strategie. Denn dauerhaft wird diese Motivation eben kein neues Geschäftsmodell tragen. Abos aus Mitleid funktionieren langfristig nicht.

 

Stattdessen müsste das künftige Produkt des neuen Online-Magazins schärfere Konturen erhalten. Was genau wird eigentlich die Artikel der Krautreporter von denen ihrer verlagsgebundenen oder werbefinanzierten unterscheiden? Ist ein abofinanzierter Onlinebeitrag tatsächlich freier, hintergründiger oder einfach auch nur besser geschrieben? Nur für entsprechenden Mehrwert, werden die User auch im nächsten Jahr bereit sein, erneut 60 Euro zu überweisen. Liebe Krautreporter, legt also bitte los! Nicht 15.000 Blanko-Abos werden über den Erfolg oder Misserfolg Eures Projekts entscheiden, sondern nur die Qualität Eurer Arbeit.